Umfrage-Ergebnisse: Auswirkungen von Corona auf die bayerische Gamesbranche
In unserer April-Umfrage wollten wir mehr darüber erfahren, wie bayerische Spielefirmen (Entwickler, Publisher, Dienstleister) mit der aktuellen Situation aufgrund der Corona-Pandemie umgehen. Konkret haben wir euch gefragt: Wie geht es euch mit und in der Krise? An welchen Stellen braucht ihr Unterstützung? Welche Tipps und Best-practice-Beispiele habt ihr? Was hat sich für euch verändert? Heute präsentieren wir euch die Ergebnisse und gehen auf euer Feedback ein.
Ende März hatte GamesWirtschaft von den Ergebnissen der letzten Mitgliederbefragung des game berichtet. Laut Befragung erwartete die Mehrheit deutscher Games-Unternehmen negative Auswirkungen; konkret hieß es: „84 Prozent bekommen die Krise aktuell noch gut gemeistert, 87 Prozent haben auf Home-Office-Betrieb umgestellt, 62 Prozent rechnen damit, dass sich die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen kurzfristig verschlechtern, 62 Prozent erwarten kurzfristig negative oder sehr negative Auswirkungen auf den Geschäftsbetrieb“. Aufgezeigt wurde ebenfalls, dass bestimmte Sektoren wie E-Sports aufgrund fehlender Veranstaltungen besonders unter der Corona-Krise leiden werden.
Auswirkungen von Corona auf die deutsche Gamesbranche
Diesen Befürchtungen zum Trotz hat die Gamesbranche in den vergangenen Wochen ihre Kreativität und ihren Innovationsgeist bewiesen: Zahlreiche neue Online-Formate wurden adhoc auf die Beine gestellt, Messen verlagerten sich in virtuelle Umgebungen und Support aus der Branche für die Branche wurde gestartet. Auch dass die WHO Gaming als Beschäftigung während der Corona-Krise empfiehlt, ist ein positives Zeichen für die Gamesbranche – und in Deutschland nutzen 18 Millionen Menschen Games, um trotz Social Distancing Kontakt mit Freunden und Familie zu halten:
Auch die aktuelle Statista-Erhebung zeigt, dass COVID-19 für einen Zuwachs bei Games sorgt. Der Grafik zufolge verbringen Gamer in Deutschland 20% mehr Zeit mit Videospielen als vor der Corona-Krise. Diese Zahlen geben eigentlich Grund zur Hoffnung – oder? Laut den Ergebnissen der Umfrage der EGDF unter europäischen Spieleentwicklern, die Ende April und somit einen Monat nach den Ergebnissen vom game veröffentlicht wurden, zeichnet sich ab: Für 13% der befragten Unternehmen laufen die Geschäfte besser als vorher, bei 38% gibt es keine Änderungen und bei 43% hat sich die Situation verschlechtert. Betrachtet man allein die Unternehmen in Westeuropa, geht es 47% der befragten Studios schlechter und 19% befürchten, in den nächsten 3 Monaten schließen zu müssen. Diese Zahlen müssen ernst genommen werden, aber daraus lässt sich auch ablesen, dass es weniger als der Hälfte der Unternehmen (in Westeuropa) schlechter geht, obwohl knapp zwei Drittel (in Deutschland) negative Auswirkungen auf das Business befürchtet hatten. Alle Ergebnisse sind natürlich nicht vollständig repräsentativ, zumal das Mitgliederfeld beim game heterogener ist als bei der rein aus Spieleentwicklern bestehenden EGDF, und der game Deutschland fokussiert, wohingegen die EGDF Mitglieder aus ganz Europa zählt. Dennoch lässt sich die Tendenz erkennen, dass die Gamesbranche von der Krise wirtschaftlich weniger beeinträchtigt wird als die Firmen selbst vermutet haben.
Die Ergebnisse von der EGDF werden zudem hier bei gamesindustry.biz noch ausführlich besprochen. Interessant finden wir dabei auch den Verweis auf die 50 Millionen Euro starke öffentliche Förderung für Games, die im Jahr 2019 für 2020 verabschiedet wurde und laut gamesindustry.biz der Grund ist, warum es den deutschen Spieleentwicklern trotz Corona verhältnismäßig gut geht: „[Germany] is the only country where the share of game developers who estimate that their company has a runway of seven to 12 months was particularly high. This indicates that, because of public support, German studios are doing much better in the short run.“ Apropos Förderung: Die Regionalförderung für bayerische Spielefirmen läuft natürlich weiter. Am 13. Oktober ist die Deadline der Einreichfrist zur 3. Vergaberunde 2020 der Gamesförderung vom FFF. Nähere Informationen dazu findet ihr hier.
Gleichzeitig ergibt sich daraus auch eine neue Herausforderung für die deutschen Spielefirmen: „However, if these companies are not able to start closing investment rounds and publishing deals during Autumn 2020, they are going to face significant challenges.“ Spannend wird definitiv eine Wiederholung dieser Umfrage bzw. eine ähnliche Umfrage in ein paar Monaten, mit der die Verlaufskurve der Auswirkungen erfasst werden kann. Auch existieren bereits Angebote aus der Branche und für die Branche, um bei Matchmaking und Pitching zu unterstützen; darunter das European Games BizDev Gathering vergangene Woche und das Online-Pitching Dev Booster, für das Games/Bavaria fünf Tickets verlost. In unserem Artikel findet ihr alle Informationen darüber; bis zum 4. Juni könnt ihr euch noch bewerben.
Resilienz und neue Herausforderungen
Indes beschäftigt sich auch eine eigens in der Wikipedia eingerichtete Seite mit den Auswirkungen der COVID-19-Pandemie: Impact of the COVID-19 pandemic on the video games industry. Der Gamesindustrie wird ein höherer Grad an Resilienz zugesprochen; einerseits dank der steigenden Spielerzahlen und andererseits dank der vergleichsweise hohen Flexibilität des Arbeitens, das im Home Office möglich ist: „[T]he video game industry has been generally more resilient to the pandemic. Most video game developers, publishers and operators have been able to maintain operations with employees working from home to sustain game development and digital releases, though as stay-at-home orders persisted, some productivity issues have arose. Further, with many people globally at home and unable to work, online gaming has seen record numbers of players during the pandemic as a popular activity to counter social distancing, a practice recommended by the World Health Organization which has helped to boost revenues for many companies.“ Doch auch hier wird der negative Impact durch ausgefallene Veranstaltungen und somit fehlendes Business-Netzwerken und durch Produktionsengpässe aufgegriffen. Anstelle der „Real-Life-Events“ gibt es mittlerweile viele Online-Alternativen für B2B-Veranstaltungen oder ESports-Events, doch diese können die Ausfälle nicht vollständig ausgleichen.
Zudem ist in manchen Fällen die problematische Abhängigkeit von Hardware oder anderen physikalischen Komponenten auch im Gaming-Bereich spürbar. Um die Nachwirkungen der Coronakrise abfangen zu können, ist daher ein geschäftlich ertragreicher Jahresabschluss 2020 wichtig, doch erfolgreiche Deals sind teilweise auch von neuer Hardware abhängig, deren Produktion nach wie vor stockt. Interessant ist auch der Verweis auf das Spiel Plague Inc. Von Ndemic Creations aus dem Jahr 2012, dessen Verkaufszahlen in die Höhe schossen: „The game temporarily became the top-paid app on several regional app stores, beating out the perennial bestseller Minecraft. Some analysts believed that those worried about the pandemic used the game to see that it could spread as a means to placate their fears.“ Hier wird Spielen als Kulturtechnik eingesetzt, um mit der Angst vor dem Coronavirus besser umgehen zu können, was wiederum einen positiven Impact auf die Akzeptanz von Games und Gaming haben und zu weiteren interessanten Spieleentwicklungen führen kann – insofern verständlich gemacht werden kann, dass ein Spiel trotzdem immer noch ein Spiel bleibt.
Antworten zur Befragung von Games/Bavaria
Im April2 2020 wollten wir von den bayerischen Spielefirmen (Developer, Publisher und Service-Anbieter) wissen, wie sich das Coronavirus auf ihr Business ausgewirkt hat. In zwei der befragten Unternehmen arbeiten 25 Personen, in den restlichen sieben zwischen einer und neun Personen. Ein Unternehmen entwickelt nur für PC, eines nur für mobile Geräte, drei für PC und Konsole, drei für mobile Geräte und PC und eines für alle drei Plattformen: mobile Geräte, Konsole und PC. Das sind die Antworten der neun Unternehmen:
„Welchen kurzfristigen Einfluss hat Corona auf euer Unternehmen?“ Sieben Unternehmen erwarten negative Auswirkungen auf den Geschäftsbetrieb, eines keine und eines positive Auswirkungen. Daran schließt direkt die Frage an: „Verändert sich die Personalsituation bei euch durch Corona?“ Bei sechs Unternehmen ändert sich die Personalsituation nicht, bei einem ist mehr Arbeitskraft notwendig, bei zwei können geplante Neueinstellungen nicht vorgenommen werden und bei einem dieser beiden wird Effizienzverlust durch Home Office befürchtet. Positiv an diesen Aussagen ist, dass Unternehmen nicht damit rechneten, Mitarbeiter entlassen zu müssen und dass bei drei Unternehmen sogar mehr Arbeitskraft benötigt wird. Da die Situation mit Corona völlig neu war und ist, befürchteten die meisten Unternehmen allerdings negative Auswirkungen – wahrscheinlich auch deshalb, weil Anfang April noch alternative Lösungen für bestimmte Abläufe gefunden werden mussten. Ein Unternehmen schreibt, dass die positiven Auswirkungen auf das Geschäft aktuell durch die Kinderspiele-Apps im Portfolio bedingt sind, die aktuell viel gedownloadet und genutzt werden.
„Welche sind die größten Herausforderungen, vor die ihr durch Corona gestellt werdet?“ Ein Unternehmen antwortete mit „Keine Herausforderungen“, ein weiteres sah im Bereich „Verschobene Spiele, längere Abnahmen bei Konsolenherstellern“ die größten Herausforderungen. Drei Unternehmen sahen im Bereich „Miteinander mit den Kollegen“, u.a. aufgrund von Skype-Calls oder fehlenden persönlichen Meetings die größten Herausforderungen, während drei andere Herausforderungen im Bereich Work-Life-Balance einschließlich Kinderbetreuung sahen. Ein kleines, gerade im Aufbau befindliches Studio nannte Punkte, die viele eher neue Firmen wohl nachvollziehen können: Das Business-Development und Netzwerken ist in Zeiten von Corona nicht möglich, potenzielle Kunden wenden sich eher an langjährige Partner oder sind „mit sich selbst“ beschäftigt.
Auswirkungen aufgrund von Veranstaltungsausfällen
Von den bayerischen Firmen wollten wir wissen: „Spürt ihr durch die Absagen der Messen und Veranstaltungen einen Rückgang der Interaktionen/Termine mit potenziellen Partnern (Publisher, Investor usw.)? Wenn ja, welche Auswirkungen hat das auf euer Unternehmen?“ Bei den Antworten kristallisierten sich zwei Pole heraus: Drei Firmen sagen, dass Veranstaltungsausfälle das Netzwerken erschwert haben und dass die Dealbereitschaft gesunken ist; bei einem könnte die Situation sogar der Grund dafür sein, dass sich die GbR auflöst. Vier Unternehmen spüren noch keine negativen Auswirkungen, wobei eine diese befürchtet und ein Unternehmen sieht positive Auswirkungen, da die Online-Events keine Hotel- und Reisekosten verursachen und die Interaktion erleichtern. Ein Unternehmen hat dazu keine Angabe gemacht.
Weiter ging es mit der Frage: „Plant ihr einen Auftritt auf der gamescom 2020, falls sie stattfindet?“ Die Frage nach einem geplanten Auftritt auf der gamescom 2020 muss unter einem anderen Blickwinkel betrachtet werden: Die gewohnte Präsenzmesse entfällt, dafür findet ein Online-Event statt. Vier der neun Firmen sagten Ja zur Teilnahme, vier wollten erst 2021 wieder teilnehmen und eine Firma nimmt generell nicht an der gamescom teil. Daran schloss sich die Frage an: „Falls ihr keinen gamescom-Auftritt mehr plant für 2020: Was sind die Gründe? Unter welchen Umständen würdet ihr doch noch teilnehmen können/wollen?“ Zwei Firmen haben keine relevanten Produkte und zwei Firmen nehmen wegen Corona nicht teil, eine Firma äußerte sich nicht. Inwieweit sich die Teilnahmebereitschaft mit dem neu angekündigten Online-Event ändert, wird sich herausstellen, sobald das genaue Programm feststeht.
Erfahrungsaustausch und konkrete Bedürfnisse der bayerischen Gamesfirmen
„In der aktuellen Situation: Welche Informationen oder Angebote würdet ihr euch konkret von Games/Bavaria wünschen?“ Die Antworten auf diese Frage waren höchst unterschiedlich und wir freuen uns über euren Input, mit dem wir unser Angebot besser auf euch zuschneiden können. In den Antworten wurde betont, dass der direkte Austausch des Freistaats mit Entwicklern und Publishern extrem wichtig ist, den wir bei regelmäßigen Formaten wie dem Gamesbrunch pflegen. Weiterhin wurde gewünscht, dass es Online-Events in den einzelnen Regionen gibt, denn: Bayern hat mehr Facetten als die weißblaue Fahne und diese möchten wir euch in naher Zukunft auf der Games/Bavaria Website genauer vorstellen.
Ein weiterer Wunsch war eine Übersicht zu kostenlosen Software-Produkten und Lehrvideos. Eine Auswahl davon bieten wir euch jede Woche in unserer Games/Bavaria-Reihe: Infos für Firmen und Tipps für das Gaming-Geschehen online. Ein ähnlicher Vorschlag war die Bereitstellung von Vernetzungsinhalten außerhalb der Gamesbranche, da kleine Unternehmen durchaus interessante Lösungen in den Bereichen VR, AR und Technologie bieten können, ihnen aber oftmals die Kontaktmöglichkeit zu großen Unternehmen fehlen. Weiterhin wurden Webinare, Infos zu Freelancern eine Jobbörse und mehr Werbung dafür gewünscht, sowie ein B2C-Auftritt auf der gamescom. Zuletzt ging es noch darum, eure Tipps und Erfahrungen einzuholen für andere Unternehmen, um die aktuelle Situation besser zu meistern. Empfohlen wurden vor allem Zoom und das aktuell kostenlose Streaming über TeamViewer.
Unser Fazit: Die Ergebnisse dieser und der anderen Umfragen sind eine Zwischenbilanz in der frühen Phase der Coronakrise. Ob und inwieweit sich die positiven und negativen Aspekte für die Gamesbranche bewahrheiten, wird sich erst zeigen sobald der normale Geschäftsbetrieb wieder vollständig aufgenommen worden ist. Insbesondere das Vorausplanen für den ruhigen Sommer sowie ein wichtiges drittes bzw. viertes Quartal, ein offener Umgang mit den neuen Formaten in der Zusammenarbeit und Flexibilität bei möglichen Verzögerungen im Bereich Hardware sind gefragt. Und genau dafür ist die ohnehin kreative und innovative Gamesbranche wie gemacht.
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