Games/Bavaria Adventskalender: Woche 1

Der Countdown bis Weihnachten 2020 läuft. Wir verkürzen euch die Zeit bis zu den Feiertagen mit 24 wissenswerten Begriffen aus dem Game Development und rund um die Firmengründung. Jede Woche starten wir eine neuen Beitrag mit nützlichen und informativen Facts und Links.

Developer

Developer ist der englische Begriff für EntwicklerIn, und ein Game Developer entwickelt Games. In Bayern gibt es derzeit etwa 150 Studios oder Einzelpersonen, die Games für unterschiedliche Plattformen entwickeln. Gesammelt werden diese z.B. in der gamesmap für Bayern, die laufend aktualisiert wird. Ihr könnt euer Studio dort selbst eintragen oder Änderungen an eurem Eintrag vornehmen. Aktuell zählen wir 15 Neugründungen im Jahr 2020; 2019 waren es etwa 18 und 2018 laut den uns vorliegenden Daten etwa 10. Bei etwa 23 Game Developern ist ein Gründungsmitglied oder eine Person auf C-Level weiblich.

Von den rund 50 größten Spieleentwicklern Deutschlands sind mit Stand 28. Oktober neun in Bayern angesiedelt: Travian Games (München), Upjers (Bamberg), CipSoft (Regensburg) mit je über 100 MitarbeiterInnen; mit je über 50 Chimera Entertainment (München), HandyGames (Giebelstadt), MegaZebra (München); mit je über 30 Realmforge Studios (München), Grimlore Games (München) und Mimimi Games (München). Abgesehen von Münchern gibt es in Bayern jedoch unabhängig von der Größe der Studios weitere interessante Ballungszentren für Game Development.

Generell werden Game Developer in die folgenden Kategorien nach dem Medium eingeteilt, für das sie entwickeln: AR / VR bzw. XR (Extended Reality), Konsole, PC, Mobile, Online / Browser. Die gamesmap weist zudem Serious Games als separate Kategorie aus.

Viele Developer entscheiden sich dafür, ihre Games auch selbst zu publishen; manchmal aus freien Stücken und manchmal aber auch, weil ein geeigneter Publisher nicht gefunden werden konnte. 

Screenshot: Desperados III von Mimimi Games

Publisher

Im Gegensatz zum Developer konzentriert sich der Publisher auf die Veröffentlichung und Vermarktung von Spieletiteln. Insgesamt definieren sich aktuell 86 Unternehmen in Bayern als Publisher. Zehn dieser Firmen sind deutsche Büros internationaler Gamesfirmen, z.B. Activision Blizzard in Ismaning bei München, Private Division und Take-Two Interactive in München.

Da viele kleinere Indie-Studios ihre Games selbst publishen, ist die Anzahl der reinen Publisher vergleichsweise gering. In Bayern zählen wir laut gamesmap aktuell 12 Unternehmen, die keine eigenen Games entwickeln und u.a. Games anderer Studios publishen. Im nationalen und internationalen Vergleich ist diese Zahl schwer einzuordnen, da kein globales Ranking aller rein als Publisher tätigen Firmen existiert. Die Website Metacritic veröffentlicht jedes Jahr eine Liste der Publisher mit den besten Metacritic-Rankings als Bewertungsmaßstab. In dieser Liste finden sich in Bayern vertretene, internationale Firmen (505 Games in Burglengenfeld, Activision Blizzard und Take-Two Interactive), aber auch Koch Media mit Deep Silver als deutsches, in München ansässiges Unternehmen. Weitere, überwiegend oder ausschließlich als Publisher tätige Firmen aus Bayern sind z.B. die European Games Group (spezialisiert auf F2P Games), Giiku Games (spezialisiert auf asiatische Games), Markt + Technik Verlag (u.a. Casual Games) und NeoBricks.

Das Aufgabenfeld eines Publishers wird am besten definiert als: Alles kann, nichts muss. Grundsätzlich kümmert sich ein Publisher (zu Deutsch: Verleger) um die Verbreitung eines Games auf den entsprechenden Plattformen, für die es entwickelt wird. Je nach Produkt und Ausrichtung des Publishers kann das technische Bereiche wie Hosting von Game-Servern und Durchführen von Game-Updates, regionsspezifische Dienstleistungen wie Übersetzung und Lokalisierung, Services wie Support und Community Management, sowie Maßnahmen wie Marketing, PR, oder Kommunikation über Website und Social Media umfassen; insgesamt ist das Aufgabengebiet also breit gefächert und geht teilweise fließend über in Felder wie Distribution von Retail-Produkten und Dienstleistungen zur Entwicklung einer Marke der Reichweite der Games. 

Florensia vom Publisher Giiku Games

Distributor

Das Tätigkeitsfeld bzw. die Definition eines Distributors hat sich in den letzten zehn Jahren deutlich verändert. Zwar gibt es nach wie vor Box- bzw. Retail-Versionen von PC- und insbesondere von Konsolenspielen, doch die Anzahl der Titel steigt, die heruntergeladen und nicht physisch gekauft werden. Auch Erweiterungen, Updates und Bugfixes können als DLC (Downloadable Content) auf Distributions-Plattformen wie Steam oder in den Shops der Konsolenhersteller heruntergeladen werden; und Apps können ohnehin ausschließlich in den entsprechenden App Stores heruntergeladen werden.

Diese Stores und Plattformen werden somit neben dem klassischen Offline-Handel auch zu den Distributoren gezählt, wie auch ein Blick auf die grobe Liste der Unternehmen im Bereich Handel/Distribution/Plattform auf der gamesmap zeigt. Dort haben sich insgesamt rund 210 Firmen als Distributoren eingetragen, und insgesamt etwa 40 Distributoren sind in Bayern angesiedelt. Zehn dieser Unternehmen haben ihren Hauptsitz nicht in Bayern, dazu zählen beispielsweise Amazon, GameStop, Intellivision. Die meisten der Distributoren sind auch entweder Publisher, Developer oder Dienstleister, beispielsweise CipSoft aus Regensburg, F+F Distribution aus München oder der Markt + Technik Verlag aus Burgthann.

Artwork aus Tibia von CipSoft

Dienstleister

Wenn man den Begriff Dienstleister im Kontext der Gamesbranche näher beleuchtet, kann man ihn in zwei Richtungen denken. Erstens bezeichnen wir damit Firmen, die für Gamesfirmen interessante Dienstleistungen anbieten. Zweitens sind damit aber auch Gamesfirmen gemeint, die selbst als Dienstleister für Unternehmen in der Gamesbranche aber auch für solche aus ganz anderen Industriezweigen tätig sind.

Als erstes betrachten wir branchenferne Dienstleister. Wenn ihr euch via gamesmap einen Überblick zu den verschiedenen Kategorien machen wollt, könnt ihr den Menüpunkt Dienstleister dort ausklappen und die insgesamt 22 unterschiedlichen Tätigkeitsfelder einsehen. 

Rund 100 Unternehmen sind hier als Dienstleister in Bayern eingetragen, wobei dazu auch große internationale Konzerne wie Adobe oder AMD zählen. Einen Anspruch auf Vollständigkeit erhebt die Liste nicht und die Anzahl der Firmen in Bayern, die für Gamesfirmen relevante Dienstleistungen anbieten und auf die Bedürfnisse von Gamesfirmen ausgerichtet sind, dürfte eher im vierstelligen Bereich liegen, wenn man bedenkt, dass es laut Statista in Bayern 2018 über 615.000 steuerpflichtige Unternehmen gab.

Diese große Auswahl macht die Suche nach der passenden DIenstleistung nicht einfacher. Vor allem junge Firmen und FirmengründerInnen haben oft Bedarf an Unterstützung in firmen- oder steuerrechtlichen Fragen. Im Idealfall kennt bekommt man per Word-of-mouth den Kontakt zu einem/r geeignetem/r AnbieterIn; doch das klappt nicht immer. Anstatt dann per Google eine/n DienstleisterIn zu suchen, empfehlen wir, die Firmendatenbank der Industrie- und Handelskammern in Bayern zu nutzen. In der Firmendatenbank firmen-in-bayern.de sind die Adressen von über 215.000 im Handelsregister eingetragenen Unternehmen aus ganz Bayern zu finden. In der (etwas altbacken designten) Datenbank nutzt ihr am besten die Suche per Schlagwort oder per Wirtschaftszweig und grenzt am besten den Bezirk noch ein, um eine bewältigbare Anzahl an Ergebnissen zu erhalten. Für die Suche nach Rechts- u. Steuerberatung, Wirtschaftsprüfung bei der IHK Regensburg und in Regensburg ansässig erhaltet ihr so zum Beispiel 71 Firmen. 

Die zweite Kategorie sind Dienstleister aus der Gamesbranche, wobei auch andere Bereiche außer Games zum jeweiligen Tätigkeitsfeld gehören können. Die gamesmap-Liste ist eine gute Quelle für Gamesfirmen, die Dienstleistungen aus der Gamesbranche in Anspruch nehmen wollen. Beispiele dafür sind KI-Anwendungen (z.B. von audEERING), Community Management (z.B. von NeoBricks), PR (z.B. Marchsreiter Communications), Producing (z.B. Tiger Team Productions) oder spezielle Marketingmaßnahmen (z.B. GameInfluencer). Während kleine und junge Studios diese und alle weiteren Services selbst intern abbilden, kann es je nach Größe des Projekts im Vergleich zum Team eine effiziente Maßnahme sein, bestimmte Aufgaben auszulagern und in die Hände von Profis zu legen.

Zuletzt wollen wir noch darauf verweisen, dass auch Gamedevs selbst zu Dienstleistern werden können, etwa wenn ein Unternehmen eine E-Learning-Lösung für interne Schulungen oder das Know-how im Bereich 3D-Modeling oder -Rendering einkaufen möchte. Der Verkauf von Dienstleistungen an externe Partner kann für Spieleentwickler eine gute, manchmal auch notwendige Ergänzung des rein auf eigenen Spielen basierenden Geschäftsmodells sein. Um als Dienstleister entdeckt zu werden, sollten Studios daher die Skills und Services gut sichtbar auf der eigenen Website und in professionellen sozialen Netzwerken (als Standard: LinkedIn und Xing) präsentieren, so dass sich auch nicht-gamesaffine Unternehmen einen schnellen und aussagekräftigen Überblick davon verschaffen können. 

Screenshot der Website von NeoBricks

XR (Extended Reality)

Nach diesem kurzen Ausflug zu den Unternehmen, Freiberuflern und Solo-Selbstständigen, die Teil des Ökosystems der bayerischen Gamesbranche sind, widmen wir uns in diesem Post noch zwei Spezialthemen, die zwischen Game Development und Gesellschaft spannende Möglichkeiten bieten.

Das erste Spezialthema ist XR, Extended Reality. Damit werden, grob gesagt, alle Schnittstellen (Interfaces) und Interaktionen zwischen Mensch und Maschine bezeichnet, die Realität verändern, z.B. Augmented, Mixed und Virtual Reality.

Laut gamesmap sortieren sich laut aktuellen Zahlen deutschlandweit rund 130 Firmen in der Kategorie Entwickler oder Publisher für AR/VR ein, in Bayern sind es 35 und davon produzieren, entwickeln oder publishen 19 Firmen überwiegend Anwendungen und Formate in XR (ggf. neben anderen Dienstleistungen). Wiederum grob aufteilen kann man alle Unternehmen mit (teilweisem) Fokus auf XR in die folgenden Kategorien: Produktion von mobilen AR-Anwendungen, die direkt mit der Umgebung interagieren (z.B. Vuframe aus Regensburg); mit entsprechender Hardware körperlich erlebbare, theoretisch ortsungebundene XR-Installationen, -Anwendungen und -Games (z.B. die Bergrettungvon straightlabs aus Grünwald, Eurydike von Evelyn Hriberšek aus München, oder die Produkte von Salmi Games aus München und von Cyan Planet aus Germering); und als Spezialfall gibt es in Bayern noch HOLOGATE mit eigenen Locations, an denen VR-Games gezockt werden können.

Außerhalb der Gamesbranche existiert mit dem XR-Hub Bavaria in Bayern ein weitreichendes XR-Netzwerk mit Events, einem Magazin und News zu XR, sowie eigenständigen Hubs in München, Nürnberg und Würzburg.

Screenshot aus Late for Work von Salmi Games

Serious Games

​Als zweites Spezialthema möchten wir euch heute Serious Games vorstellen. ​Deutschlandweit entwickeln und/oder publishen rund 55 Studios Serious Games, in Bayern befassen sich 13 Unternehmen laut eigener Einordnung mit der Entwicklung von Serious Games.​

Im Gegensatz zu Spielen, die primär oder ausschließlich einen Unterhaltungswert haben, legen diese Spiele und auch Lernspiele ​(z.B. von Funline Media aus Grünwald​, AntMe!​ aus Grafrath, appp media​ aus München, LogiTales​ aus Nürnberg, lyniat.games​ aus Regensburg) den Fokus auf die Vermittlung von Informationen bzw. Awareness und Bildung (z.B. von Gentle Troll​ aus Würzburg, Reality Twist​ aus München), das Training bestimmter Fähigkeiten (z.B. von Neolexon​ aus München, narayana games​ aus Bachern am Wörthsee) oder den Umgang mit bestimmten Konditionen (z.B. die App zum PARI Inhalator​ von u.a. Gamify Now​ aus München); ergänzend kommen virtuelle Trainings hinzu (z.B. von ThreeDee​ aus München, Emergo Entertainment​ aus Bayreuth). Als Beispiele für Publisher, die auch als Serious Games verstehbare Titel im Portfolio haben, können etwa HandyGames​ mit dem Titel Through the Darkest of Times​ und Mixtvision​ mit Interrogation: You will be deceived​ genannt werden. Serious Games richten sich insgesamt an alle Altersstufen im privaten wie auch im schulischen bzw. beruflichen Kontext.

Ein Blick auf viele Projekte der verlinkten Firmen zeigt, dass Serious und Spielspaß sich keinesfalls ausschließen. Vielmehr ist der Übergang zwischen lehrreichen und lustigen Elementen in vielen Projekten oft fließend, und in vielen Games, die nicht explizit als Serious Games ausgewiesen sind, steckt eine relevante Botschaft oder ein Anspruch. Oft geht es dabei um Tüfteln, Knobeln und Rätseln, in Multiplayer-Spielen häufig um Zusammenarbeit und bei vielen Titeln spielen Ereignisse aus der Weltgeschichte eine Rolle. Ethik, Moral und gesellschaftliche Normen können ebenfalls implizit oder explizit thematisiert werden.

Um bayerische SpieleentwicklerInnen dazu zu ermutigen, in diese Richtung zu denken, gibt es bei der Gamesförderung des FFF Bayern​ einen so genannten Kulturtest, den die Konzepte, Prototypen und Produktionen der AntragsstellerInnen bestehen müssen. Dieser Kulturtest gibt Auskunft über den kulturellen oder pädagogischen Anspruch, den Innovationsgehalt sowie den Fördereffekt des Vorhabens für die heimische Kultur- und Kreativwirtschaft (KKW-Effekt) (Quelle​). In dem entsprechenden Antragsformular müssen u.a. mindestens zwei Kriterien zum kulturellen Kontext und zum kulturellen Inhalt erfüllt werden, beispielsweise (!) ein Bezug zur deutschen bzw. europäischen Zeitgeschichte. Mit diesem Mini-Bildungsauftrag und zahlreichen weiteren kreativen Ideen aus der Gamesentwicklung steigern Games ihre gesellschaftliche Akzeptanz und bauen Brücken zu Noch-Nicht-Spielern.

Wobei seit der Weiterentwicklung der Gamification ohnehin gefragt werden kann, welche/r NutzerIn von digitalen Anwendungen heute nicht in irgendeiner Form spielend unterwegs ist. Fortschrittsbalken und Highscores sind beispielsweise gängige Mechaniken in sozialen Netzwerken oder Anwendungen, um NutzerInnen auf der User Journey anzuleiten oder sie zu binden; und auch weitere Spielemechaniken kommen an den unterschiedlichen Stellen zum Einsatz. Es lohnt sich, die Augen offen zu halten und gegebenenfalls Inspiration für eigene Projekte aus der gamifizierten Digitalwelt zu ziehen.

Screenshot aus The Unstoppables von Gentle Troll