Dakror Games: Erfolg als Ein-Personen-Team

Der Informatik-Student Maximilian Stark entwickelt und publisht seit 2013 in Eigenregie Games-Projekte für Nischen, vorzugsweise im Bereich Simulation. Drill Down für Andoid und Desktop via Steam ist sein erstes kommerziell erfolgreiches Spiel. Games/Bavaria hat mit dem Entwickler über seinen Weg in die Gamesbranche, seine Learnings aus Development und Self-Publishing sowie über seine Pläne gesprochen.

Dieser Artikel ist Teil einer Serie über den Games-Standort Bayern

Maximilian Stark ist 23 Jahre alt, hat den Bachelor Informatik: Games Engineering an der TU München absolviert und ist aktuell im Master Informatik dort eingeschrieben. Bereits lange davor brachte er sich das Programmieren selbst bei – mit dem Ziel, Spiele zu entwickeln. Privat spielt er gerne Economy-Simulationen.

Screenshot von Dakror Games

Dakror Games und Drill Down

Als Ein-Personen-Team betreibt Maximilian das Projekt Dakror Games. Auf der Website präsentiert er neben Uni-Mitschriften und Tools ein Portfolio bestehend aus fünf Games, die er in Eigenregie entwickelt hat. Drei Games können direkt heruntergeladen werden und zwei sind im App Store erhältlich – Swipe Race und Drill Down. Drill Down ist als sein erstes kommerzielles Projekt zusätzlich auf Steam erhältlich. Nachdem verschiedene kleinere Projekte nicht erfolgreich waren, wollte er das 2D-Fabrikbauspiel als ein kommerziell funktionierendes Projekt bis zum Ende durchziehen – und seit Ende 2019 hat er mehr als 37.000 Downloads im Google Play Store und 1.500 auf Steam damit erreicht. 

„Ich habe versucht, eine Marktlücke, die ich wahrgenommen habe, zu füllen – die aber auch gleichzeitig meinen Geschmack getroffen hat. Ich wollte also im Prinzip mein perfektes Spiel machen in einer Marktlücke. Und ich denke, das hat ganz gut geklappt.“

In dem Single-Player-Aufbauspiel Drill Down bauen Spielende eine Art Steinbruch sukzessive auf. Das Spiel setzt stark auf die Weiterverarbeitung von Ressourcen – beispielsweise Erze in verschiedenen Zustandsformen, Zwischenprodukte, lange Produktionsketten. Am Anfang werden Grundressourcen gesammelt und als Ziel des Spiels wird ein Computerchip hergestellt. In vielen ähnlichen Spielen wird der Computerchip bereits früher im Spiel als Ressource eingesetzt als Baustein für komplexere Technologien – hier ist er hingegen das Endprodukt. Damit zeigt Drill Down auf, wie komplex dieser oft als selbstverständlich angesehene Baustein wirklich ist. Der schnellste dokumentierte Speedrun dauerte 19 Stunden und durchschnittlich dauert das Spiel 40 bis 50 Stunden. 

Screenshot aus Drill Down

Vorbild für Drill Down war das Aufbauspiel Factorio, denn Maximilian wünschte sich ein Factorio als Mobile Game. Im Gegensatz zum Konkurrenzprodukt setzt Drill Down jedoch mehr auf die Weiterverarbeitung als auf die Logistik. Townsmen von HandyGames für mobile Geräte kam dem bereits sehr nahe, doch wollte der Entwickler ein Factory- und kein Siedler-Game. Somit blieb als einzige Lösung, ein solches Game von Grund auf selbst zu machen. Anstelle von Game Engines verwendet er bei der Programmierung Frameworks, in diesem Fall libGDX. Dieses Framework ermöglicht es, Cross-Plattform-Code zu schreiben. Auch ansonsten hat Maximilian bei der App alles selbst gemacht.

„Ich hab viel gepanscht, sage ich mal. Ich bin natürlich kein Künstler, kein Komponist, kein Sounddesigner. Ich hab meine Free-Sound-Websites, meine Asset-Sprites und dann gepanscht. Zum Beispiel hab ich einen Waschmaschinen-Sound genommen und den geloopt und das ist dann zum Sound der Stampfpresse geworden. Man ist also kreativ auf sich allein gestellt. Oder man fragt ein paar Freunde, ob die einem kleine Pixel Art erstellen. Aber eigentlich war das Ziel: 0 Euro Budget und eigentlich alles self made. Generell mach ich schon eher Spiele, die ich auch gerne selbst spielen würde. Das Problem ist aber natürlich, wenn du die dann zwei Jahre lang debuggst, dass du sie dann gar nicht mehr spielen willst.“

Insgesamt hat er zwei Jahre daran gearbeitet. In den Monaten vor dem Release 2019 fand gleichzeitig auch die Closed Beta im Freundeskreis statt. Nach dem Release im Herbst 2019 waren die ersten drei Monate aufgrund von großen Änderungen noch einmal eine intensive Arbeitszeit. „Ich hatte zum Beispiel nie vor, dass sich Gebäude drehen lassen, damit man sich wirklich Gedanken machen muss. Aber dann haben mich die Leute nach dem Release wirklich so bombardiert mit ‚Hey, warum können wir die Sachen nicht drehen‘, dass ich eingesehen habe, dass sich Sachen drehen lassen müssen. Das war natürlich ein großer Umbau. Aber jetzt sind die Leute besänftigt.“

Im Anschluss hat Maximilian bei einigen Pitches (z.B. bei der Update Games) versucht, einen Publisher zu finden – doch ohne Erfolg. Als Ein-Personen-Team und mit Game Development als Seitenprojekt neben dem Studium und der Arbeit war für ihn der Aufwand zu groß, die Anforderungen eines Publishers zu erfüllen. Somit brachte er das Spiel im Self-Publishing heraus – und teilt seine Erfahrungen jetzt mit euch.

Learnings aus Development und Publishing als Ein-Personen-Team

Ein Learning aus dem ersten Projekt ist, dass man nie unterschätzen darf, wie viel Zeit man eigentlich fürs Polishing investieren muss. Außerdem kann Maximilian als Tipp mitgeben, rechtzeitig sein Gewerbe anzumelden, auch wenn man nur an einem Hobbyprojekt arbeitet. Das Steuerrecht ist kompliziert, gerade wenn es um Nebeneinkommen geht oder Geld durch internationale Verkäufe aus anderen Ländern überwiesen wird.

„Ich hab wirklich ein dreiviertel Jahr gepolisht und nur gepolisht – und dann auch noch nach dem Release. Denn selbst mit dem größten Private-Beta-Aufwand stellst du fest, was Leute wirklich von deinem Spiel halten, wenn dann wirklich Hunderte dein Spiel spielen. Dann musst du echt auch nochmal Entscheidungen treffen.“ 

Als wichtig hat sich auch die Erstellung eines Trailers für sein Game herausgestellt, um das Spiel so potenziellen Kund*innen zeigen zu können. Aufnehmen und Bearbeiten des Videos waren für ihn Learning by Doing. Im Vorfeld hat er das Game lediglich in seinem persönlichen Umfeld, auf Discord-Server, im Freundeskreis und über Twitter beworben. 

Screenshots aus der Mobile-Version von Drill Down

Drill Down war ursprünglich nur für Mobile geplant und eigentlich wollte Maximilian das Game auch für Apple herausbringen. Dafür hat er sich einen gebrauchten Mac gekauft, nur um dann festzustellen, dass er mit dem Rechner nach dem nächsten iOS-Update keine Apps mehr dafür erstellen konnte. Wenn eine App allerdings nicht die neueste Version unterstützt, also veraltet ist, rutscht sie im Ranking herunter. Also hat Maximilian den Mac verkauft und Drill Down nur für Android herausgebracht – und setzte eine Desktop-Version für Steam um. 

Tipps für Self-Publishing auf Steam:

Steam bedeutete allerdings gleichzeitig den größten Aufwand im Publishing-Prozess, da neben einem Trailer und der zu entrichtenden Gebühr verschiedene Bilder in allen möglichen Auflösungen für Header, Icons usw. benötigt werden.

„Google Play ist da viel entspannter. Du lädst da fünf Screenshots hoch, das Spiel und drückst auf Go.“

Explizit Werbung macht Maximilian aber nicht. Dafür kümmert er sich um seine Community: Er hat ein Fan-Wiki angelegt, ein Subreddit und einen Discord eröffnet. Der Discord-Server ist mit 400 Teilnehmenden die aktivste Plattform. Trotzdem ist das kaum Aufwand, sondern hauptsächlich ein guter Weg, direkter mit der Community zu interagieren als es beispielsweise Twitter ermöglicht. Es gibt im Discord zum Beispiel auch einen Channel mit Devlogs für Maximilians neuen Titel. „Ich bin kein Twitter-Mensch, aber auf Discord eben schon. Und deswegen ist das eine entspannte Art, direkt mit den Leuten zu interagieren, die das interessiert, was du machst.“

Screenshot aus dem Drill Down Wiki

Auf dem Subreddit hingegen tut sich nicht so viel; die Leute werden darüber eher auf Discord weitergeleitet. Das Wiki wird von den Fans gemanagt und Maximilian hat dafür die Assets hochgeladen, damit die echten Bilder in den einzelnen Einträgen verlinkt werden können.

Pricing und Sichtbarkeit: Google Play, Steam, itch.io

Um die Popularität in den Stores zu tracken, verwendet er App Radar, das auch schon in der kostenlosen Version viele Funktionen nach dem Prinzip Analytics auf Store-Basis bietet: Keyword-Ranking, Besucher, Aufteilung nach Ländern usw. Drill Down war über mehrere Monate in der Simulations-Kategorie in den Top 10, und sogar in den Top 3.

Für eine bessere Sichtbarkeit hat Maximilian sich für die Indie Corner beworben. In dieser Sektion im Google Play Sore werden neue und innovative Apps, Favoriten der Redaktion und Klassiker vorgestellt.

„Da hieß es von Google, sie hätten mich genommen, und dann hab ich beim Indie Corner geguckt, aber Drill Down kam da nicht. Google ist da generell recht undurchsichtig, auch wenn man jemanden kontaktieren will.“

Drill Down im Google Play Store

Ob man in unterschiedlichen Ländern gefeatured wird, ist unabhängig vom eigenen Zutun. „Das war sehr seltsam und spannend, weil Drill Down in Ländern gefeatured wurde, in denen ich noch nicht mal Downloads hab: Es wurde in Ägypten für einige Wochen gefeatured, obwohl ich da nur fünf Nutzer habe.“ Außerdem ist die Visibility im Paid-Sektor sehr viel höher als die der kostenlosen Demo im Free-to-Play-Bereich. Die Vollversion von Drill Down ist kostenpflichtig und kostet 1 Euro – beziehungsweise in allen Währungen einen vergleichbaren runden Betrag.

„Die Demo hat fast gar keinen Traffic. Das liegt vielleicht auch daran, dass sie wirklich als Demo gelabelt ist. Aber trotzdem würde man denken, dass, weil es kostenlos ist, dann doch noch einige Leute anzieht. Aber wo die App 100 Downloads hat, hat die Demo vielleicht fünf. Da sieht man dann doch, dass die Behauptung stimmt, dass der Free-to-Play Market überschwemmt wird von Apps und eine App schnell untergeht. Aber im Paid Sektor gibt’s dann doch eher weniger Apps, die dann vielleicht doch mehr Sichtbarkeit erzeugen.“ 

Ein paar Spieler haben sogar als Feedback gegeben, dass der Preis doch zu niedrig sei für die Menge und Qualität an Content, und haben daher etwas Geld gespendet. „Ich denke aber, für mein erstes Spiel ist 1 Euro eine gute Hausnummer.“ Auf Steam kostet Drill Down hingegen 5 Euro. 

„Ich hab als Steam-Nutzer das Gefühl, dass man die Sachen, die unter 5 Euro kosten, wahrnimmt als Schmarrn. Ab 5 Euro fängt man dann an, das Spiel ernst zu nehmen, aber es ist trotzdem günstig genug, dass man es noch für ein Indie Game zahlen würde.“ 

Die Nummer 1 Einkommensquelle bleibt aber Google Play. Dort sind die stärksten Absatzregionen Deutschland und die USA. Danach kommen Kanada, Russland und andere Länder. Für Maximilian ist aber nicht vorhersehbar, wie sich die Verkaufszahlen entwickeln. Die ersten Monate von Corona 2020 haben nach dem Release 2019 allerdings noch einmal zu höheren Verkäufen geführt.

„Du weißt nicht, wenn der eine Monat gut läuft, ob der nächste Monat überhaupt Geld einspielt oder sogar ein Riesen-Spike kommt. Das hat wirklich kein Muster. Es ist auch nicht nach starken Launch-Monaten kontinuierlich abgeflaut, wie man es eigentlich erwarten würden, sondern es gab immer wieder Spikes, die absolut unvorhersehbar waren.“ 

Screenshot von Dakror Games

Der Entwickler hat auch versucht, Drill Down über itch.io zu vertreiben, aber das hat für ihn gar nicht funktioniert. Itch.io ist laut Maximilian eher für Leute, die Passion mitbringen, aber keinen finanziellen Ehrgeiz haben:

„Ich hab auf itch insgesamt so viel verkauft, wie ich in Google Play in einem Tag verkaufe. Auf itch.io gibt es keine Kuratoren, kein gutes Rating-System. Da sind dann natürlich nur Indie-Games und man geht noch leichter unter.“ 

Und zum Thema Sichtbarkeit: Ein gutes Spiel herausgebracht zu haben, bedeutet nicht automatisch Visibility für andere Titel. Maximilians Vorgängertitel –  das rundenbasierte Rennspiel Swipe Race – konnte nicht vom Erfolg von Drill Down profitieren. „Aber vielleicht lag es auch daran, dass das ein nicht ganz gepolishtes kostenloses Spiel ohne Trailer war.“

Pläne für die Zukunft als Developer

Die intensive Support-Zeit ist nun vorbei und Maximilian kann sich seinem neuen Projekt widmen, das ähnlich wie Drill Down werden soll: „Da will ich aber mehr von allem haben: Mehr Interaktion, mehr Industrie-Sparten und 3D statt 2D“. Das neue Projekt soll nicht mehr in Java entstehen, sondern in C++. Maximilian arbeitet dazu schon an einem System, das auch besonders große Fabriken unterstützt.

Game Development ist aktuell jedoch nicht Maximilians Hauptberuf. Der Entwickler hat seinen eigentlichen Beruf für das sichere Einkommen und war zudem noch Student, als der Drill Down entwickelt hat. Die Spieleentwicklung kommt meistens abends dann als drittes Projekt hinzu und ist für ihn ein Hobby, auch weil ihm die Einnahmen zu unsicher sind. Daher will er auch das neue Game wieder alleine, in seinem eigenen Tempo und mit seinen eigenen Tools entwickeln.

„Drill Down ist für mich ein Passionsprojekt gewesen. Es macht mir Spaß und ich find’s toll, dass es andere Leute auch toll finden – und dann sogar noch ein bisschen Geld dabei rauskommt. Aber das ist nicht die primäre Intention.“

Vielleicht wird Maximilian in der Zukunft aber doch noch sein eigenes Studio gründen. Die Option hat er auf jeden Fall nicht ausgeschlossen.